„In der IT-Branche gibt es im Moment einen ausgesprochen lebendigen Bewerbermarkt“, sagt Catharine Hack, Personalreferentin bei der Pironet NDH AG. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Cloud Computing für mittelständische Kunden. Es bildet regelmäßig Fachinformatiker und andere IT-Spezialisten aus.
Eine Bewerbung für eine Ausbildung bei dem Unternehmen kann also für talentierte Leute mit technischem Verständnis und IT-Affinität leicht zum Erfolg führen. Umgekehrt sollte es für Pironet NDH kein Problem sein, auch die richtigen Bewerber zu finden. Catharine Hack bestätigt das: „Wir finden immer wieder ganz hervorragende Bewerber. Bei vielen wissen wir im Grunde schon von Anfang an, dass sie die Ausbildung mit Erfolg abschließen.“
Superjugendliche gesucht?
Dann folgt das große Aber: „Ein großer Teil der Bewerbungen sehen eher nach dem Gegenteil aus.“ Die Personalreferentin berichtet von E-Mails ohne jeden Text, die lediglich im Anhang einen Lebenslauf enthalten, Anschreiben mit zahlreichen Rechtschreibfehlern und Serienbriefe an ein paar Dutzend Unternehmen im CC-Feld. Und dann gibt es Bewerbungen, die deutlich machen, dass die Bewerber überhaupt nicht wissen, für welchen Beruf sie sich bewerben.
Die Liste dieser Fehler ließe sich noch lange fortsetzen. Dies ist eigentlich erstaunlich, denn allein eine Google-Suche nach den beiden Stichworten „Bewerber Ratgeber“ gibt mehr als genug Hinweise für den richtigen Aufbau einer Bewerbung, das Verhalten im Vorstellungsgespräch und vieles mehr. Es ist schwer, hier noch etwas falsch zu machen. Warum landen trotzdem so viele Kuriosa bei den Personalern?
„Unserer Erfahrung nach hat das etwas mit persönlicher Reife zu tun“, meint Hack. Eine eher unreife Haltung zeige sich dann auch in den Bewerbungsgesprächen und reiche bis in die Ausbildung. Pironet NDH ist ein mittelgroßes Unternehmen, das nach eigener Auskunft sehr gerne ausbildet und sich intensiv um die Azubis kümmert, aber dafür auch etwas erwartet. Etwa den bereits makel- und tadellosen Superjugendlichen?
„Wir erwarten junge Leute, die Interesse am Beruf und an Weiterbildung mitbringen“, sagt Hack. „Wir beißen uns hier die Zähne aus, wenn wir Erziehungsmängel beseitigen müssen.“ Talent, Reife, Interesse, Weiterbildung – gefragt sind junge Erwachsene, die Fragen stellen, Eigeninitiative zeigen und mitdenken.
Doch die Zeiten in denen Auszubildende hier mal schauen und da mal anpacken dürfen, sind schon lange vorbei. „Von Auszubildenden wird heute wesentlich mehr verlangt als das früher der Fall war“, bestätigt Marko Kämmerer, Personalleiter beim Enterprise-Mobility-Spezialisten Seven Principles (7P) mit Sitz in Köln. Diese Entwicklung sei auch in der IT-Branche zu bemerken.
Offene, wenig hierarchische Unternehmenskultur
Vor allem in den letzten zehn Jahren seien in vielen Unternehmen schnellere, dynamischere Strukturen entstanden. „Das scheint die Schulen zu überfordern, Schüler werden nicht entsprechend auf diese Dynamik vorbereitet“, kritisiert Kämmerer. „Aber trotzdem sind die Bewerber deutlich besser als ihr Ruf.“
Zusammen mit den Anforderungen haben sich nach Kämmerers Erfahrung aber auch die Wünsche junger Leute an eine Ausbildung geändert. „Vor allem mittelständische Unternehmen müssen sich attraktiv präsentieren und eine offene, wenig hierarchische Unternehmenskultur bieten.“
Heute sind allen Mitarbeitern – Akademikern, aber auch den Mitarbeitern in Ausbildungsberufen – Gestaltungsspielräume und Freiheitsgrade wichtig. „Das erfordert auch eine gewisse Flexibilität beim Unternehmen selbst. Wer sich öffnet, bekommt auch hervorragende Mitarbeiter.“
Die Erfahrungen von Marko Kämmerer sind mit denen von Catharine Hack zu vergleichen: Es gebe einige Bewerbungen, die dem Qualitätsanspruch von 7P nicht entsprechen, trotzdem leidet das Unternehmen nicht an Azubi-Mangel. Es bildet ebenfalls regelmäßig aus und greift dabei nicht nur auf Abiturienten zurück.
„Gymnasiasten haben einen kleinen Vorteil in Sachen persönlicher Reife, aber wir bilden auch regelmäßig Realschüler zum Fachinformatiker aus“, sagt Kämmerer. „Das Abitur ist nicht immer nötig und ein Uniabschluss auch nicht. Wir stellen zwar viele Akademiker ein, haben aber auch zahlreiche Arbeitsplätze für Facharbeiter und Nicht-Akademiker.“
Die wichtigste Quelle für Bewerber ist die Präsenz in Schulen oder Ausbildungsmessen. Die beiden IT-Dienstleister sind weder bei Lehrern noch bei Jugendlichen besonders bekannt. Das ist bei vielen mittelständischen Unternehmen so, die meisten Leute kennen bestenfalls ein Dutzend deutsche Unternehmen.
Mittel gegen den Fachkräftemangel
Doch das Ziel der Zusammenarbeit mit Schulen ist nicht, möglichst viele Bewerber zu bekommen. Beide Unternehmen setzen auf zielgerichtete Rekrutierung, auf persönliche Kontakte und auf Empfehlungen. Pironet NDH ruft die Lehrer dazu auf, talentierte Jugendliche für ein Praktikum zu nennen. 7P trifft viele Azubis über Kontakte auf Ausbildungsmessen, nutzt aber auch Stellenanzeigen in lokalen und überregionalen Portalen.
Die Ausbildung selbst ist in beiden Firmen ähnlich organisiert: Die Azubis werden möglichst rasch in Kundenprojekte einbezogen und lernen viele Arbeitsgebiete des Unternehmens kennen. Außerdem orientiert sich die Ausbildung möglichst stark an den Interessen der einzelnen Mitarbeiter.
In den Unternehmen werden Auszubildende intensiv betreut und möglichst optimal gefördert. Die Geschäftsführung hat sie als enorm wichtig für die Unternehmenszukunft erkannt. Beide Unternehmen betonen: Im Normalfall werden viele Azubis übernommen und anschließend mit Angeboten für die Weiterbildung und verschiedenen Karriereoptionen unterstützt.
Vorausschauende Unternehmen haben (hoffentlich) längst erkannt, dass nur eine gute Strategie zur Personalentwicklung hilft, den so genannten „Fachkräftemangel“ zu vermeiden. Er besteht nämlich weniger in einem Mangel an guten Leuten, sondern oft in einer zu geringen Sichtbarkeit der Unternehmen.
Das Rheinland ist Heimat zahlreicher großer IT-Unternehmen wie Deutsche Telekom, Vodafone, T-Systems, Computacenter, Bayer BBS und viele mehr. Sie besitzen eine enorme Zugkraft und können sich die Rosinen herauspicken, da Ausbildungen bei den IT-Riesen ein sehr gutes Image haben.
Kleinere und mittlere Unternehmen wie Pironet NDH oder Seven Principles müssen sich dagegen bei den Schülern als guter, moderner und erfolgreicher Arbeitgeber präsentieren. „Employer Branding“ heißt das heutzutage. Die Erfahrungen der Unternehmen zeigen, dass auch das Angebot einer guten Ausbildung dazugehört.
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