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Jeder kann zum Innovator werden

„Innovationen ausschließlich über Innovationsabteilungen und -spezialisten zu fördern, ist der falsche Ansatz“, meint Stephan Grabmeier, Berater für Social Business und Gründer der Innovation Evangelists im Interview mit „Digital Heartland“. Er war von 2009-2013 Head of Culture Initiatives bei der Deutschen Telekom AG, leitete dort das Center of Excellence Enterprise 2.0 und beschäftigte sich mit dem Thema „Crowd Innovation“. Seine wichtigste Aufgabe: Netzwerkstrukturen aufbauen.
 

csm_20090520_Grabmeier_046_4cca20476dAlle sprechen von Innovation. Ist der Begriff nicht schon abgenutzt?

Stimmt, in den Unternehmen ist dauernd von Innovation die Rede. Es steht als extrem wichtiges Thema auf der Tagesordnung, denn alle Unternehmen müssen immer schneller Neues wagen, um im Markt bestehen zu können. Trotzdem geraten heutzutage auch große Unternehmen sehr schnell ins Hintertreffen. Marktführerschaft ist schon lange keine Garantie mehr – siehe Nokia oder Kodak.

Das geht sehr schnell und wenn nach Fehlern gesucht wird, stellt man fest, daß nicht radikal genug innoviert wurde. Aber in der Praxis ist nicht so ganz klar, wo die Neuerungen herkommen sollen. Die Frage lautet: Wo und wie schnell findet Innovation zukünftig statt? Handelt es sich um Forschung und Entwicklung? Oder brauchen Unternehmen eine eigene Innovationsabteilung? Oder eine ganz andere Lösung?

Was empfehlen Sie Unternehmen?

Die herkömmlichen Wege zur Innovation reichen bei weitem nicht mehr aus. Meiner Meinung nach kann die Basis von Innovation nicht breit genug sein. Das bedeutet: Alle Mitarbeiter im Unternehmen müssen eine Chance haben, gute Ideen vorzuschlagen und Ihr Know-how einzubringen.

Was ist mit dem mittleren Management? Scheitern dort nicht die meisten Ideen von den sprichwörtlichen einfachen Mitarbeitern?

Das ist leider oft so. In großen Organisationen ist das eine typische Folge von Mechanismen der Existenzsicherung. Innovation hat nämlich zwei Seiten: Zum einen kannibalisiert radikale Innovation auch das Kerngeschäft. Der evolutionäre Ansatz reicht nicht aus, die Weiterentwicklung bestehender Geschäftsbereiche ist auf Dauer meist zu wenig. Zum anderen verändert Innovation die bestehende Organisation und wird deshalb von vielen Leuten, auch von Führungskräften verhindert.

Und wie kann diese Verhinderungsstrategie abgewendet werden?

Meiner Erfahrung nach gibt es zwei sehr wichtige Blickrichtungen: Nach außen und nach innen. Unternehmen sollten einerseits passende Innovationen von außen herein holen und andererseits „Intrapreneure“ fördern, also Angestellte mit guten, marktfähigen Konzepten. Das Unternehmen ist also offen für Anregungen und Ideen von außen, aber auch von allen Mitarbeitern.

Unternehmen, die Innovationen nur in ihrem Kernbereich hervorbringen wollen, werden in Zukunft scheitern. Besonders Konzerne reagieren auf Veränderungen im Markt nicht schnell genug. Die umfangreichen Prozess- und Genehmigungsstrukturen sind ein großes Hindernis, in dem viel Energie verschwendet wird. Märkte sind flexibel, Unternehmen sind es leider nicht.

Wie sind ihre Erfahrungen mit der Telekom? Das Unternehmen ist ja einer der größten Konzerne Europas und sie haben dort die Transformation zu Enterprise 2.0 verantwortet.

Vor meiner Telekom Zeit war ich selbstständig als Organisationsentwickler tätig. Ich habe sowohl für kleine wendige Start-Ups oder Investoren als auch für große Konzerne gearbeitet. Die Telekom hat ja einen gewissen Ruf als bürokratisches Monster, so dass viele Bekannte meinten: Das klappt nie. Und ich sage Ihnen was: Das hat sehr gut geklappt, ich konnte absolut selbstständig arbeiten – im Prinzip wie ein Unternehmer oder vielmehr wie ein Intrapreneur. Der CEO René Obermann und der ehemalige Personalvorstand Thomas Sattelberger waren die Sponsoren unseres Programms.

Sie hatten den klangvollen Titel „Head of Culture Initiatives“. Ist das programmatisch zu verstehen?

Unbedingt. In vielen Unternehmen wie der Telekom ist ein kultureller Wandel nötig. Sie müssen mit sämtlichen Mitarbeitern arbeiten und sie einbinden und das geht am besten mit Sozialen Netzwerken. Mit ihnen ist das sogar mit einigermaßen geringem Aufwand und trotzdem strukturiert möglich, denn sie erlauben einen offenen, nicht-hierarchischen Austausch über Ideen und Konzepte.

Es gibt in der Telekom viele Leute mit tollen Einfällen, die über interne crowdbasierte Technologien wie z.B. JAMs, Prognosemärkte oder das Telekom Social Network eine Stimme und Sichtbarkeit bekommen. Meine Erfahrung nach gibt es genug Ideen, nur haben die Leute entweder nicht die Chance, die Risikofreudigkeit oder das Kapital, diese Ideen auch umzusetzen. Gepaart mit den Ressourcen der Telekom sieht das dann schon wieder anders aus.

Wie werden die Ideen umgesetzt?

Das wichtigste – einfach und schnell. „Lean Start-Up“ ist eine Methodik, die sehr schnell in die Umsetzung geht, Kunden so früh wie möglich mit einbezieht und über Prototypen die ersten Versuche im Markt macht. Wenn in einem Konzern noch mühevoll Powerpoint-Schlachten für Gremien gemacht und Businesspläne schön gerechnet werden, können Sie mit den richtigen Leuten und Methoden bereits an ersten Prototypen arbeiten und Geschäftsmodelle umsetzen. Business Modelling hat sich massiv verändert. Es ist wichtig, dass das in großen Unternehmen ankommt – denn heutzutage frisst der Schnelle den Langsamen!

Und wie funktioniert das in einem großen Unternehmen oder einem Konzernriesen wie der Telekom?

Innovationen sind Chefsache und sollten daher möglichst beim CEO verankert werden. Es darf keine Zwischenschicht geben, wenn Ideen und Innovationen nicht in einer starren Prozessstruktur stecken bleiben sollen. Viele Innovationsinitiativen sind reines Experimentieren, das nicht in die Performance-Logik eines tradierten Managements passt. Erfolge in Innovation lassen sich in den frühen Phasen nicht mit den herkömmlichen Methoden der Quartalsmessung ermitteln.

Natürlich ist der hierarchische Aufbau eines Konzerns nicht sinnlos, er bietet stabile Strukturen für Entscheidungen. Was heute oft fehlt sind Netzwerkstrukturen, die Innovationen deutlich besser fördern. Die entsprechenden Strukturen haben mein Team und ich für die Deutsche Telekom aufgebaut.

Die Telekom muss in Zukunft neue Innovationsstrukturen mit neuen Haltungen und Skills füllen. Konzernmenschen sind häufig keine Unternehmer. Die Telekom muss deshalb sowohl Leute von außen in den Konzern holen, die eine Startup-Mentalität mitbringen als auch intern weiter Intrapreneurship fördern und ausbauen. Auch im Inneren muss eine Gründerkultur aufgebaut und gepflegt werden. In einem solchen Unternehmen kann jeder zum Innovator werden.

Bildquelle: Privat

The base for innovation in an enterprise needs to be as broad as possible, says Stephan Grabmeier, social business consultant and founder of Innovation Evangelists to „Digital Heartland“. He was Head of Culture Initiatives and leader of the Center of Excellence Enterprise 2.0 at the biggest german telco Deutsche Telekom AG. Grabmeier is a networker at heart – he likes to connect the dots for intra-corporate social networks.

He suggest social networks as a platform for growing new, innovative ideas. Everyone can provide and discuss thoughts und concepts – even the legendary „normal worker“. But new ideas should not only come from the inside. A real innovative corporation also takes pre-startup enterprises into account. Founders with experience in garage tinkering can enhance the business models of big corporations by avoiding the hassle with approvals and business process conformity.

Big Business seeking for innovation should go off the beaten tracks of Powerpoint combats and canonical management strategies, thinks Grabmeier. His strategie is called „Lean Start-Up“ and shortens time to market for new products or services. It seeks advice from the potential customers and puts some prototypes in position – as early as possible. This is crucial for big corporations because faster enterprises will eat the slow ones.

Ausflug ins Zwischenreich – Bücher in Digitalien

Buchbranche und Digitalkultur, das ist keine Liebesbeziehung. Es gibt da ein großes Unverständnis für die Entwicklung der letzten Jahre. Die viel zitierte digitale Kluft wird hier manchmal überdeutlich, wie das folgende Zitat zeigt. Es ist echt, wirkt aber wie vom Postillon geklaut: „Man schaut sich die Dinge an, probiert sie aus, entscheidet sich und geht dann nach Hause und bestellt am Computer. […] Es ist kaum übertrieben, wenn man dieses Verhalten als eine Art Diebstahl betrachtet.“

Das klingt wie Realsatire, ist aber von einem waschechten Verleger alter Schule. Er beschimpfe lieber seine Kunden, als unternehmerisch zu denken, urteilt Verlagsberater Leander Wattig in seinem Blog. Aber was genau meint der Verleger, wenn er von Diebstahl redet? Es geht ihm um den von vielen Händlern gefürchteten Showrooming-Effekt: Im Geschäft gucken und beraten lassen, aber online und möglichst noch vor Ort mit dem Smartphone kaufen.

Ein Blick in die USA ist hilfreich, denn dort wird Showrooming schon viel länger diskutiert. Keine Panik, meint das US- Fachblog eConsultancy, denn es kann leicht bekämpft werden. Händler sollten die Digitalisierung freudig umarmen, zum Beispiel mit einer eigenen App, gut sichtbaren QR-Codes für den App-Download, iPads für die Produktinformation, kostenlosem WiFi und einer Präsenz auf Facebook. Das funktioniert für viele Branchen recht gut und es würde auch im Buchhandel funktionieren – Aufgeschlossenheit für neue Ideen vorausgesetzt.

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Die Digitalisierung freudig umarmen, das macht die Solingerin Stefanie Leo jeden Tag. Sie ist die Gründerin und Chefin der Bücherkinder. Sie ist die Erfinderin der Wohnzimmerlesung, die von ihrem privaten Wohnzimmer aus ins Internet gestreamt wird. Sie bloggt, twittert und facebookt über ihre Erfahrungen mit Kindern, Büchern und dem Internet.

Außerdem ist sie außerhalb des Internets aktiv: Sie schreibt für die Fachzeitschrift Eselsohr, bietet Kinderbuch-Ausstellungen in Kitas im Rheinland an, berät Schulbibliotheken bei der Anschaffung neuer Bücher und hält Vorträge. Kurz: Stefanie Leo ist für die Sache der Kinderbücher ein Nachrichtendrehkreuz in Person.

Der Beginn von all dem waren Bilderbücher für ganz junge Kinder, nämlich die von Stefanie Leo. Sie hatte die Erfahrung gemacht, das gute Kinderbücher zum Vorlesen und Anschauen schwer zu finden sind. Zwar funktioniert der Buchmarkt wie eine gut geölte Maschine. die jedes Jahr 100.000 Neuerscheinungen ausspuckt – davon hunderte Kinder- und Jugendbücher. Aber im Unterschied zu „Erwachsenenbüchern“ gibt es keinen Feuilletonbetrieb, der wenigstens ein paar Schneisen in dieses Dickicht schlägt.

Ein Medium, in dem Eltern bewährte Bilderbücher finden, das wäre doch was, dachte die Solingerin. Und was ist im 21. Jahrhundert ein Medium, das jeder einfach so nutzen kann? Das Internet. Also mietete Stefanie Leo anno 2002 Webspace, um anderen Eltern die bei ihren drei Kindern beliebten Bücher vorzustellen.

Der Rest ist Geschichte, aus dem spontan aufgebauten Angebot wurde völlig ungeplant viel mehr. Inzwischen gibt es eine Redaktion aus 50 Kindern und Jugendlichen, die Bücher erst lesen und dann bewerten. So entstanden bis heute etwa 4.500 Buchbesprechungen. Das sind längst nicht mehr nur Bilderbücher, sondern Erzählungen, Sachbücher und Romane für alle Altersstufen.

Darüber hinaus nutzt Stefanie Leo Facebook und Twitter, um Leute und Dienstleister in der Kinderbuchszene miteinander zu vernetzen. So ist nach und nach ein Ökosystem entstanden, das aus Fans der Bücherkinder, Facebook-Freunden, Realwelt-Kontakten in Verlagen, Buchhandlungen und Bibliotheken besteht.

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Aus den Erfahrungen von Stefanie Leo zeigt sich: Facebook und Twitter eignen sich als „Soziales Graswurzelnetzwerk“, um ohne großen Aufwand Werbung für ein Nischenthema zu machen. Der Bekanntheitsgrad der Bücherkinder und der Lesungen steigt langsam, aber stetig an – wem sie einmal aufgefallen sind, der empfiehlt sie gerne weiter.

Mit tausenden Besuchern ihrer Bücherkinder-Website, über 2.200 Twitter-Followern und gut 3.100 Facebook-Fans hat sie eine gut funktionierende Schnittstelle zwischen Büchern und Internet aufgebaut. Diese Verbindung zwischen analog und digital will bei vielen Verlagen und Buchhandlungen nicht so recht in die Gänge kommen. Stefanie Leo gelingt sie scheinbar mühelos.

Das liegt sicher an ihrer verbindlich-freundlichen Art, ihrer Fähigkeit zum Gespräch und ihrem Interesse an Büchern und an Menschen. Es liegt aber vielleicht auch an der Idee der Empfehlungen. Das ist so etwas der Kern der Bemühungen von Stefanie Leo. Kinder empfehlen anderen Kindern Bücher, Bücherleute empfehlen den besten Umgang mit sozialen Medien, Eltern empfehlen Links zu interessanten Websites rund um Kinderbücher.

Der lokale Buchhandel hat schon immer auf Empfehlung und Beratung gesetzt. Der Schritt ins Internet ist naheliegend. Durch die mehrseitige Kommunikation in Blogs oder sozialen Netzwerken lässt sich die buchhändlerische Empfehlung leicht digital nachbilden. Und sie lässt sich durch den Aufbau einer Fangemeinde abstützen. Dadurch entsteht ein Zwischenreich, das den klassischen Buchhandel und die neuen Möglichkeiten des Internets vereint.

Doch viele Buchhändler, aber auch Verlage verhalten sich eher abwartend. „Die Buchbranche befindet sich in einem enormen Umbruch durch E-Books, E-Commerce und viele andere Dinge,“ sagt Stefanie Leo. „Ich stehe da mittendrin. Es ist eine sehr spannende Zeit.“ Die ausgebildete Schriftsetzerin blickt von außen auf die Branche. Dort entdeckt sie viel Nachholbedarf: „Die Schuld an Problemen wird gerne bei anderen gesucht, auch beim bösen Kunden, der zu Amazon geht. Es wird nicht gefragt: Was können wir tun?“

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„Eine Redaktion aus 50 Kindern und Jugendlichen macht viel Arbeit“, meint Stefanie Leo. „Ich kann aber vieles über soziale Medien organisieren. Die Redaktion koordiniere ich zum Beispiel über eine geschlossene Facebook-Gruppe.“ Nur für den Versand der ausgewählten Titel ist immer noch die Büchersendung der Post wichtig, der teure Teil der Aufgaben bei den Bücherkindern. Einnahmen erzielt sie unter anderem mit Verlagswerbung und Amazon-Links – zu wenig, wie sie findet.

„Kinderbuchempfehlungen sind leider kein besonders gutes Geschäftsmodell.“ Oft herrsche die Meinung vor, es sei ja für die Kultur und die Kinder, da könne man kein Geld verlangen, erzählt sie von ihren Erfahrungen. Die Umsätze aus ihrer Website sind zu gering, um als alleiniges Familieneinkommen auszureichen. Allerdings: „Ich habe hier das ideale Arbeitsmodell für eine Mutter“, findet Stefanie Leo.

„Im übrigen sind die zahlreichen Kontakte, die ich über meine Website, Facebook und Twitter bekomme, unbezahlbar.“ Sie ermöglichen ihr auch Seminare und Vorträge im Bereich Social Media für Buchhandlungen. Dies führt dann zu weiteren Bekanntschaften. Durch die gestiegene Aufmerksamkeit ist es ihr unter anderem gelungen, für die Bücherkinder den avj-Medienpreis zu gewinnen. „Der hat mir wieder viele neue Kontakte ermöglicht und zahlreiche Türen geöffnet.“

Das Geschäftsmodell von Stefanie Leo setzt auf fleißiges Netzwerken, aus dem sich Honorare oder Anzeigenkunden ergeben. „Sicher könnte ich mehr machen“, sagt sie. „Mehr Vorträge und Seminare halten, mehr herumreisen. Aber das verträgt sich nicht mit meinem Hauptberuf als dreifache Mutter. Da bin ich bewusst altmodisch. Aber trotzdem: Ich mache, was ich liebe.“ Und wer kann das schon von sich sagen.

Bildquelle: Wilhelmine Wulff  / pixelio.de