Die Gigafactory IV kommt

Der Chuck Norris der Tech-Branche hat zugeschlagen:

Was wirklich passiert ist: Elon Musk hat höchstpersönlich den Preis einer Autozeitung entgegengenommen, für das Model 3. In einem Nebensatz verkündete er, dass die Gigafactory 4 bei Berlin, auf der grünen Wiese in Brandenburg gebaut wird. Etwas später präzisierte Musk dann per Twitter: Dort werde unter anderen das Model Y gebaut und Ende 2021 soll es mit der Produktion losgehen. Von etlichen tausend Arbeitsplätzen war die Rede und tatsächlich sind bereits Stellenausschreibungen für Brandenburg auf der Tesla-Website zu sehen.

Eine Bauzeit von zwei Jahren ist recht optimistisch, schließlich sind wir hier nicht in China. Dort betrug die Bauzeit der Gigafactory 3  gut zehn Monate. Im Moment beginnt dort der Produktionstest für das Model 3 und möglichst schnell soll die Massenproduktion für den chinesischen Markt anlaufen. Doch Elon Musk wird sich der deutschen Eigenheiten bewusst sein. Darauf weist auch das milde Lächeln bei dem Satz hin, dass seine Fabrik ein wenig schneller als der Berliner Flughafen eröffnet werden müsse. Das mag so sein, wenn die Politik ihre Hausaufgaben gemacht hat. Es ist sicher sinnvoll, dass der nicht mit Industrieansiedlungen verwöhnte Flächenstaat Brandenburg ein möglichst rasches Genehmigungsverfahren für den Bau anstrebt.

Jenseits der Bedenkenträgerei

Eine Industrieansiedlung in dieser Größe, noch dazu im Einzugsbereich von etlichen Bundesländern mit hoher Arbeitslosigkeit, sollte eigentlich Grund für Euphorie sein. Doch eine typisch deutsche Reaktion kommt sofort: Zynismus. Das“Goldene Fass“ in diesem Genre gebührt dem Journalistenkollegen Stefan Laurin. Er verbreitete bereits wenige Stunden nach der Preisverleihung über Facebook eine dystopische Entwicklung, die er später noch ausmalte:

Vielleicht schon heute werden sich die ersten Bürgerinitiativen gegen den Bau gründen. Umweltverbände, die gegen die Fabrik klagen, werden sich ebenfalls finden. Irgendein Käfer, den heute noch niemand kennt und der für das Überleben von Grünheide und für Mutter Erde von existenzieller Bedeutung ist, wird sich schon finden. Und dann sind da noch das Klima, die Bodenversiegelung, die Lärmbelastung durch die Fabrik, die Belastungen bei ihrem Bau, die Gentrifizierung durch den Zuzug von Ingenieuren, die Ausbeutung der Tesla-Arbeiter, der Kapitalismus und irgendwas mit Frieden. […]

Musk weiß nicht, worauf er sich eingelassen hat: In fünf Jahren, wenn er vor einem Oberverwaltungsgericht um die Genehmigung des Baus der Abbiegespur kämpft, die dafür nötig ist, dass er die Zufahrtsstraße bauen darf, die zu dem bis dahin längst besetzten Grundstück führt, auf dem irgendwann seine Fabrik entstehen soll, wird er den gestrigen Tag verfluchen.

Quelle: Die Salonkolumnisten

Leider habe auch ich den erfahrungsgesättigten Eindruck, dass Laurin nicht ganz falsch liegt und dieses ziemlich düstere Szenario nicht vollkommen unwahrscheinlich ist. [Update 16.11.2019 10:40] Die ersten Anti-Tesla-Truppen ziehen sich zusammen.

So ist es also: Wir haben uns an die Unbeweglichkeit unserer Gesellschaft und unseres Staates, an die Technikfeindlichkeit vieler Leute, an das ewige Genörgel, die dauernde Bedenkenträgerei, die elende Suche nach dem Haar in der Suppe schon so gewöhnt, dass wir direkt mit Zynismus reagieren. Wir halten es für wahrscheinlich, dass hier eine neue Investitionsruine entsteht, ein neuer Sarg für Steuermilliarden – als Folge einer unübersichtlichen Gemengelage aus Partikularinteressen, gesetzlichen Regelungen und der Not-In-My-Backyard-Mentalität mittelalter Nörgelbürger aus Anti-Windkraft-Vereinen. OK, Boomer.

Jenseits des Zynismus

Neben dem brandenburgischen Ministerpräsidenten freut sich immerhin der Elektroauto-Unternehmer Günther Schuh über die Initiative von Elon Musk.

Tatsächlich ist die Entscheidung für Deutschland logisch: Hier gibt es jede Menge erfahrene Leute vom Facharbeiter bis zum Ingenieur, Synergien mit deutschen Mittelständlern aus Maschinenbau und Automatisierungstechnik und es ist denkbar, dass ein Tesla „Made in Germany“ ein europaweiter Verkaufsschlager wird.

Außerdem gibt es gerade in Deutschland viele kaufkräftige SUV-Fans, an die sich das Modell Y in erster Linie richtet. Es ist recht gut auf den deutschen und europäischen Markt zugeschnitten. Obwohl sich der Blick der SUV-Gegner immer auf Schlachtschiffe wie X7 oder Q7 richtet, verkaufen sich diese Brummer eher schlecht. Kompakt-SUVs dagegen sind die Autokategorie mit den größten Wachstumsraten – Elon Musk wird das berücksichtigt haben. (Am Rande bemerkt: Elon Musk ist das, was Rheinländer „positiv bekloppt“ nennen, also das völlige Gegenteil von dumm.)

Zum Schluss noch eine Auswahl an kritischen und begeisterten Kommentaren zur Gigafactory Berlin-Brandenburg:

Dass sich Musk ausgerechnet das Mutterland des Automobils als neuen Standort ausgesucht hat, spricht für das Selbstbewusstsein des Unternehmers. Er scheut nicht die Konkurrenz der etablierten deutschen Autobauer, er greift sie sogar unmittelbar an.

Don Dahlmann, Gründerszene

Musk macht in jüngster Zeit nicht mehr mit Eskapaden von sich reden, sondern mit Fortschritten im Geschäft. Tesla meldete gerade zum ersten Mal seit einigen Quartalen wieder einen Gewinn und gab dabei auch Anlass zur Hoffnung, profitabel bleiben zu können.

Roland Lindner, F.A.Z.

War Tesla für die deutschen Autobauer anfangs ein belächelter Gernegroß und alsbald ein ernstzunehmender Wettbewerber, dürfte sich die Sache jetzt umkehren.

Henrik Böhme, Deutsche Welle

Musk ist bekannt für seinen unermüdlichen Einsatz. Und den fordert er auch von seinen Leuten. Dabei ist ihm egal, ob es sich um Kolleginnen aus dem Topmanagement oder vom Fließband handelt.

Anne-Katrin Schade, Zeit Online

Spektakuläres Ende dieser Geschichte war, dass DeLorean beim Drogenschmuggel gefilmt wurde. Schließt sich hier ein Kreis zum Kiffer Elon Musk?

Kevin P. Hoffmann, Tagesspiegel

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