Archiv der Kategorie: Mensch

Gegen die Nacht

„Na?“ Ich erkenne Myriams leicht kehlige, ins Dunkle gehende Stimme sofort, auch um diese Zeit. In San Francisco ist es halb acht Uhr abends und ihre Schicht in der Cafeteria endet gerade. Dort gibt es nur ein Münztelefon, deshalb ruft sie mich kurz an und ich rufe zurück — eine Stunde Reden für 60 Mark. Es ist ein heißer Sommer mit einem leichten Schlaf. Ihre Stimme ist aufgekratzt, ein wenig triumphierend. „Ich habe es, eine Erstausgabe, im roten Umschlag.“

Sie atmet hörbar, von einem leichten Satellitenecho untermalt. Ich bin sofort hellwach. Thomas Pynchon. Gravity’s Rainbow. Die Enden der Parabel. „Jeder lange Haarschnitt ist eine Reise.“ Eine Echokammer und ein Assoziationsraum; mit Anspielungen auf alles und jeden; Kaskaden der Erinnerung an TV-Serien, Comics, Filmen und Büchern. „Herrje, du bist ja ganz ergriffen.“ Diesmal ist es ein amüsiertes Lächeln, das ich über die paar tausend Kilometer heraushören kann. Ich war wohl einen Moment ganz still. „Nächstes Jahr bringe ich es mit.“

Dann beginnt sie zu erzählen, wie jeden Abend und Morgen, an dem sie anruft. Sie erzählt von ihrem Jahr 1989 in einer fremden Welt, erzählt, dass Amerika wie ein Film ist und trotzdem ganz anders. „Ich muss dir was erzählen“, beginnt sie ihre Anrufe. Sie klingt jetzt heiser. Ein paar Wochen hat sie in ihrem Toyota Carina übernachtet, auf einer Reise durch den Westen. Doch der Wagen ist schon länger ihre Wohnung. Das Geld von der Cafeteria reicht nicht für die Mieten in der Bay Area.

Der Mann, mit dem sie zusammen ist; ein Deutscher, er lebt in einem Camper. Er ist in den USA hängen geblieben. „Vielleicht bleibe ich ja auch hier hängen.“ Sie hat eine Wohnung in Aussicht, ein winziges Zimmer in einer WG mit zwei Jazzmusikern. Sie wird mit ihnen Cajun-Gerichte kochen und ein nach New York klingendes Englisch sprechen.

Eine Frau ist ihr in den Carina gefahren. Ohne Versicherung bekommt sie nicht einmal den Schaden voll ersetzt. Aber am selben Abend lernt sie in der Cafeteria einen Anwalt kennen. Nach ein paar Monaten hat sie das Geld für den Wagen. „Das ist die amerikanische Art der Umverteilung.“ Myriam findet schnell Kontakt zu Menschen. Das Ehepaar, dessen Haus in Russian Hill sie zwei Wochen lang hütet, trifft sie auf der Lombard Street, als sie die Serpentinen hinaufläuft. „Sie haben gelacht und gemeint, ich könne nicht von hier sein.“

Wir gewöhnen uns an diese Gespräche, brauchen sie als intimes Ritual. Mein Leben ist geruhsam; ich studiere, schreibe Artikel für eine Lokalzeitung, besuche meine Großmutter und mache dort die Wäsche von zwei Wochen. Manchmal gehe ich aus und fast nie lerne ich Frauen kennen. Myriam erlebt jeden Tag einen Roman. „Die Gespräche helfen mir“, sagt sie eines Morgens. „Ich gebe dir meine Erlebnisse; wie einem Treuhänder. Du sollst mir später bestätigen, dass ich das wirklich alles erlebt habe.“

Myriam ruft manchmal ein paar Tage hintereinander an, dann wieder einige Zeit gar nicht. Ich warte auf den Anruf, schlafe unruhig, bis es soweit ist. Ich lebe im Nebel der Unausgeschlafenheit, bin erschöpft — von der Warterei, von den kurzen Nächten, vom konzentrierten Zuhören, vom Satellitenecho unserer Gespräche. Ihre Stimme klingt nah, wie in meinem Kopf. „Ich muss dir was erzählen.“ Manchmal höre ich sie mitten am Tag und drehe mich verwirrt um.

Es wird Herbst. Ich habe das Semester geschmissen und angefangen, im Altenpflegeheim zu arbeiten, dem Ort meines Zivildienstes. Meine Telefonrechnungen bezahle ich pünktlich am Postschalter, mit ein, zwei Hundertern in der Hand. Ich arbeite in der Frühschicht; mal in der Gerontopsychatrie, mal auf einer Pflegestation. Die Arbeit ist anstrengend und hektisch. Wenn ich mich von Myriam verabschiedet habe, dusche ich und fahre los.

Eines Abends im Oktober schalte ich meinen Fernseher ein. Ein schweres Erdbeben in San Francisco. Ich weiß, dass Myriam wieder mit ihrem verbeulten Carina unterwegs ist. Trotzdem kann ich in der Nacht nicht schlafen, hoffe auf einen Anruf. Um sechs Uhr melde ich mich im Altenheim krank; schlafe ein und werde vormittags durch das Telefon aufgeschreckt. Sie hat stundenlang Freunde angerufen, es immer wieder versucht, bis sie wusste: es ist niemand verletzt. „Es war anfangs nur ein dumpfes Grollen, hat Steven gesagt. Dann hat alles vibriert und gewackelt.“

Es ist fast Winter, als sie plötzlich von Deutschland hört. Sie ruft mich mitten am Tag an, es ist tiefe Nacht bei ihr. „Ich bin auf einer Party.“ CNN bringt den Mauerfall als Breaking News, zeigt die Leute, wie sie auf der Mauer tanzen und kleine Steinchen daraus schlagen. In Köln dauert es zwei Wochen, bis die ersten Trabante und Wartburge auftauchen. Eines Morgens dann der Anruf: „Ich komme zurück, nächste Woche.“

Myriam geht langsam durch die Menschen, blickt suchend um sich. Dann hat sie mich entdeckt. Sie strahlt, reißt die Handtasche hoch. „Da ist es drin.“ Dann gluckst sie, wirft ihre sonnenhellen Haare nach hinten und pustet die Strähne auf der Stirn nach oben. So, wie sie es schon immer getan hat, kräftig, mit leicht vorgeschobenem Unterkiefer. Es lässt Myriam trotzig aussehen. Ich lache. Wir schauen uns an.

(2008)

Bildquelle: Oscar Fernando Melo Cruz / Pixabay

Digitale Selbstverständlichkeit

Ist das alles wirklich erst seit einem Jahrzehnt unser Alltag? Was haben wir früher eigentlich gemacht, wenn wir wissen wollten, ob es am nächsten Tag regnet? Inzwischen schauen wir für die Antwort ganz automatisch auf das Smartphone. Wenn wir in eine unbekannte Gegend fahren, nutzen wir Google Maps. Wenn wir eine Bahnfahrkarte brauchen, bestellen wir sie mit einer App. Dank Onlineshops können wir spontan etwas kaufen, was wir gerade bei einem Bekannten gesehen haben. Und wenn uns irgendjemand ein leckeres Rezept aus seinem Lieblings-Kochbuch zeigt, fotografieren wir es, statt es abzuschreiben.

Der digitale Reflex: Apps nutzen, ohne es zu merken

So hat sich das Smartphone in unseren Alltag eingeschlichen. Manch einer nutzt beinahe drei Dutzend digitaler Dienste am Tag. Doch fragt man ihn oder sie, so lautet die Antwort: Ich nutze etwa sieben Apps am Tag. Dieses Missverhältnis zeigt, dass viele Leute deutlich mehr Apps nutzen, als sie bewusst wahrnehmen. Das ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung der Cisco-Tochter AppDynamics. Das Unternehmen besitzt durch seine Auswertung der Nutzungsparameter von Apps Information aus erster Hand und hat sie durch eine Befragung von Konsumenten ergänzt. In seinem globalen „App Attention Index“ analysiert der App-Intelligence-Anbieter genau, wie Kunden Apps in der Realität nutzen und welche digitale Customer Experience sie erwarten.

So geben die Befragten an, nur sieben digitale Dienste pro Tag zu nutzen. Doch die harten Nutzungsdaten sprechen eine andere Sprache: Es sind mehr als 30. Doch immerhin ist einem Großteil (68%) der Befragten klar, dass der Einsatz von Apps inzwischen zum „digitalen Reflex“ geworden ist, wie AppDynamics es nennt. Digitale Services werden verstärkt unbewusst genutzt. Ein gutes Beispiel ist der regelmäßige Blick auf die Wetter-App, die zumindest bei den Nutzern von Android-Smartphones ihre Daten direkt auf dem Homescreen anzeigt. Ein zweites gängiges Beispiel ist der regelmäßige Kontrollblick auf WhatsApp, ob bereits eine Reaktion auf eine eben geschriebene Nachricht erfolgt ist.

Die meisten Befragten der Studie schätzten die positiven Auswirkungen auf das tägliche Leben. So sind 70 Prozent überzeugt, dass Apps Stress reduzieren und 68 Prozent denken, dass sie ihre Produktivität zu Hause oder am Arbeitsplatz verbessert haben. In vielen Fällen erfüllen die Apps im Leben der Menschen so wichtige Aufgaben, dass sie kaum darauf verzichten können. 55 Prozent der Befragten gaben an, dass sie höchstens vier Stunden ohne Smartphone auskommen und 50 Prozent greifen nach dem morgendlichen Aufwachen zuerst zum Mobilgerät.

Süchtig nach Social Media und Internet?

Auf viele (meist ältere) Leute, die nur wenig Kontakt mit digitalen Services haben, wirken solche Verhaltensweisen irritierend. Und so werden Grusel-Schlagzeilen wie die folgende gern gelesen: 100.000 Kinder und Jugendliche sind Social-Media-süchtig. Das klingt bedrohlich, doch was steckt wirklich dahinter? Die Zahlen stammen aus einer Studie der Deutschen Angestellten Krankenkasse DAK, in der rund 1.000 Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren zu ihren Verhalten in sozialen Medien befragt wurden. 26 davon haben einige Kriterien für Suchtverhalten erfüllt. Und hier tauchte wie bei ähnlichen Studien ebenfalls eine Übereinstimmung auf: Einige Jugendliche gaben an, sowohl unter depressiven Stimmungen zu leiden, als auch Social Media übertrieben intensiv zu nutzen.

[toggle title=“Was genau ist Social-Media-Sucht?“]

Die DAK-Studie fragte bei seiner Stichprobe aus Jugendlichen auch das psychometrische Instrument „Social Media Disorder (SMD) Scale“ ab, das von niederländischen Psychologen entwickelt wurde. Es sei sehr gut geeignet, zwischen Vielnutzern einerseits und Personen mit Suchtverhalten andererseits zu unterscheiden, konstatiert eine Analyse des Instruments. Die SMD-Skala basiert auf einem Katalog aus neun Fragen, von denen mindestens Fünf mit „Ja“ beantwortet werden müssen, um Hinweise auf eine Suchtstörung anzuzeigen. Es sind die folgenden neun Fragen, von mir aus dem Englischen in das Deutsche übersetzt:

Wenn Du an das vergangene Jahr denkst:

1. Hast Du schon mal versucht, weniger Zeit mit sozialen Medien zu verbringen, bist aber daran gescheitert?
2. Warst Du regelmäßig unzufrieden, weil du mehr Zeit mit sozialen Medien verbringen wolltest?
3. Hast Du dich oft schlecht gefühlt, wenn du keine sozialen Medien nutzen konntest?
4. Hast Du schon mal versucht, weniger Zeit mit sozialen Medien zu verbringen, bist aber daran gescheitert?
5. Hast Du andere Aktivitäten wie etwa Hobbys oder Sport häufig vernachlässigt, weil du soziale Medien nutzen wolltest?
6. Hast Du regelmäßig Streit mit anderen wegen deiner Nutzung von sozialen Medien?
7. Hast Du Eltern oder Freunde häufiger über die Zeit angelogen, die Du mit sozialen Medien verbringst?
8. Hast Du oft soziale Medien genutzt, um negativen Gefühlen zu entkommen?
9. Hast Du wegen deiner Nutzung von sozialen Medien ernsthafte Konflikte mit deinen Eltern oder Geschwistern?

Es handelt sich hier um eine Skala, die in erster Linie ein Diagnoseinstrument für eine einzelne Person ist. Es ist schwierig, sie auf eine soziologische Untersuchung zu übertragen – der familiäre und soziale Kontext der Kinder und Jugendlichen ist nicht bekannt. So müsste ein Psychologe erst ein längeres Anamnesegespräch mit Kindern oder Jugendlichen führen, um das vermutete Suchtverhalten zu bestätigen – und vor allem, um eine damit verbundene Depression zu diagnostizieren. In der Soziologie wäre das durch eine einzelne quantitative Studie nicht zu leisten, sondern würde umfangreiche und teure qualitative Studien erfordern. Auf jeden Fall gilt für die SMD-Skala : Die Anzahl und Art der Antworten allein ist lediglich ein Anfangsverdacht.

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Solche Ergebnisse gibt es bei zahlreichen soziologischen Untersuchungen. Immer wieder tauchen Korrelationen zwischen Intensivnutzung von Internet, Games und Social Media einerseits und Depressionen andererseits auf. Eine Kausalität lässt sich hieraus nicht ableiten – obwohl es in den meisten Medien immer getan wird („Instagram macht Mädchen depressiv“). Eines der wichtigsten Probleme dabei ist die Unschärfe der Fragen und Instrumente. Sie geht zurück auf einen Mangel an gut bewährten soziologischen Erkenntnissen über Jugend und Digitales; etliche Studien reflektieren lediglich allgemeine Vorurteile über die Jugend oder das Internet. Eine Ausnahme sind eine Grundlagenstudie von 2014 und die auf ihr aufbauende Nachfolgestudie von 2018, beide vom Sinus-Institut in Heidelberg.

[toggle title=“Jugend & Internet – die Sinus-Studien“]

In diesen Studien überträgt Sinus den von ihm entwickelten Milieuansatz auf die Internetnutzung von neun bis 24-jährigen. Im Einzelnen geht es um folgende Milieus bzw. Lebenswelten: Verantwortungsbedachte und Skeptiker sind eher defensiv und vorsichtig. Pragmatische und Unbekümmerte haben einen ausgeprägten Teilhabewunsch, ihr Leben spielt sich deshalb größtenteils online ab. Sie  sehen sich nicht unbedingt als Experten und pflegen einen pragmatischen, teils unbedarften Online-Stil. Enthusiasten und Souveräne sind Intensiv-Onliner mit unterschiedlich ausgeprägter Grundhaltung. Während die Enthusiasten Risiken eher ausblenden, sind die Souveränen kritisch und suchen einen Weg, selbstbewusst mit Online-Gefahren umzugehen.

Soweit der Status 2014. in den folgenden vier Jahren haben sich einige Veränderungen ergeben. So musste Sinus für die 2018er-Studie das Kriterium der Internetferne streichen, es ist kein konstituierende Merkmal für ein Milieu mehr. Denn bei den derzeit Unter-25-jährigen gibt es keine Offliner. Das Internet ist fester Bestandteil ihres Alltags und nicht mehr optional. Wer sich hier bewusst dagegen entscheidet, ist in seiner Teilhabe eingeschränkt. Das ist Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich bewusst. Für sie ist es keine Frage mehr, das Internet zu nutzen. Es geht stattdessen nur noch um das Wie.

Die Studien sind interessanter Lesestoff und bieten viele Erkenntnisse. Eine von zahlreichen: Kinder und Jugendliche sind ihrer eigenen Online-Nutzung deutlich skeptischer gegenüber eingestellt, als es den Eindruck macht. Zwar können sie sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen, doch fast jeder dritte Jugendliche nimmt das eigene Nutzungsverhalten als problematisch wahr. Zudem fürchten zahlreiche Jugendliche typische Gefahren wie Cybermobbing oder Identitätsdiebstahl.

Trotz ihrer Informiertheit über die Gefahren fühlen sich viele Jugendliche eher schlecht auf ihre persönliche digitale Zukunft vorbereitet. Eine wachsende Gruppe erkennt, dass sie sich lediglich virtuos auf Oberflächen bewegt, aber von den technischen Hintergründen keine Ahnung hat. Das zu ändern, wäre natürlich eine Aufgabe für das Bildungssystem. Aber leider ist die Institution Schule eher nonline…

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Die Studien zeigen deutlich, dass junge Leute zu einem souveränen, aber untechnischen Umgang mit der digitalen Welt neigen. Kurz: Sie sind digitale Konsumenten. Und natürlich gibt es auch hier ein Zuviel des Konsums. Eine eingebaute Tendenz zur Dauernutzung haben vor allem spielerische Angebote mit hoher Attraktivität und einer eingebauten, ebenfalls sehr attraktiven Belohnung – etwa Aufmerksamkeit durch Zustimmung und Lob anderer Nutzer. Sucht-ähnliches Verhalten betrifft aber nur eine kleine Minderheit und die auslösenden Faktoren sind nicht hinreichend geklärt.

Die große Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat digitale Dienste in ihre Lebenswelt integriert, vor allem Spiele und Social Media. Sie werden genutzt, weil sie da sind und weil sie praktisch sind. Oft handelt es sich aber auch um Jugendkultur-Phänomene, die nur von einer bestimmten Altersgruppe oder einigen Jahrgangskohorten sehr intensiv genutzt werden. Anschließend werden die entsprechenden Apps uninteressant und verschwinden in Einzelfällen sogar vom Markt, wie beispielsweise Musical.ly.

Die App-Konsumenten der Zukunft

Die Sinus-Studien stellen eine recht große Heterogenität der Nutzung von digitalen Diensten fest, doch auch einige Gemeinsamkeiten in allen Milieus: Es gibt keine Offliner mehr und digitale Services werden als Bestandteil des täglichen Lebens akzeptiert – von einigen sehr enthusiastisch, von anderen auch kritisch. Aus Sicht von Unternehmen ist das eine interessante Konsumentengruppe: Sie nutzen Fun- und Game-Apps besonders intensiv, sind aber auch aber auch offen für Marketing-Apps und andere digitale Angebote von Unternehmen.

Doch genau diese Konsumentengruppe ist anspruchsvoll und somit wird der durchschnittliche App-Nutzer auch immer mäkeliger. Die App-Dynamics-Studie konstatiert eine Null-Toleranz-Einstellung gegenüber schlechten digitalen Diensten. So gaben etwa drei Viertel  der Befragten an, dass in der letzten Zeit ihre Erwartungen an die Leistungsfähigkeit von Apps gestiegen sind. Eine Mehrheit von 70 Prozent toleriert keine technischen und sonstigen Probleme mit den Apps. Auch wenn die freiwillige Angabe von Zahlungsbereitschaft immer etwas problematisch ist: Immerhin jeder zweite der Befragten würde für digitale Produkte und Services einen höheren Preis in Kauf nehmen, wenn die Qualität höher ist als bei den Mitbewerbern.

Verbraucher verzeihen schlechte Erfahrungen nicht mehr einfach so: Sie wechseln zum Wettbewerber (49%) oder raten anderen von der Nutzung des Dienstes oder der Marke ab (63%). Aus der Studie lassen sich zwei wichtige Anforderungen ableiten, den Unternehmen bei der Entwicklung ihrer digitalen Services beachten sollten:

  1. Arbeitsgeschwindigkeit: Die Leistung der Anwendung steht im Vordergrund. Ruckeln, lange Reaktionszeiten, endlose Datenübertragungen – all das macht für die Verbraucher einen schlechten Service. Da moderne Apps meist keine lokale Anwendungslogik mehr haben, sondern ein Cloud-Backend, ist Application Performance Management (APM) das Entdecken und Beheben von Problemen notwendig. Anbei sollte der gesamte Technologie-Stack vom Frontend über das Backend bis hin zum Netzwerk in Echtzeit überwacht werden.
  2. Benutzererfahrung: Wichtig ist auch eine moderne, leicht verständliche und einfach zu bedienende Benutzeroberfläche. Das klingt wie eine Binse, ist aber leider immer noch nicht selbstverständlich. UX/UI-Design (User Experience, User Interface) ist heute eine eigene Disziplin des Software-Engineering und  muss von den Unternehmen ernst genommen werden. Vor allem die nachwachsenden Generationen sind in dieser Hinsicht anspruchsvoll, sie erwarten eine intuitive Bedienung, die keine Fragen offen lässt.

Bildquelle: TeroVesalainen / Pixabay

Traumjob Data Scientist

Beschaffung, Bearbeitung, Auswertung und Interpretation von Daten aller Art — so lässt sich das Berufsbild des Data Scientist oder Datenwissenschaftlers beschreiben. Data Science gilt als Teil der angewandten Mathematik und ist ein Querschnittfach, dass sich irgendwo zwischen Informatik, Mathematik und Statistik bewegt. Und es hat ein enorm gutes Image, denn die Harvard Business Review hat den Data Scientist zum Sexiest Job des 21. Jahrhunderts ausgerufen. Das zeigt sich auch im Jobranking von Glassdoor: Der Datenwissenschaftler landete in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge auf dem ersten Platz.

Das Berufsbild ist recht heterogen. „Es entwickelte sich im Zuge der sich ändernden Bedürfnisse aus der Wirtschaft heraus. Daher begründet sich auch der hohe Praxisbezug“, betont Michaela Tiedemann, CMO bei der Data-Science-Beratung Alexander TAM GmbH, in einem Blogbeitrag, der einen Überblick über Berufsbild und Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland gibt.

Der deutsche Arbeitsmarkt für Data Scientists

Stellen für Datenwissenschaftler sind trotz der Neuigkeit des Berufsfeldes gar nicht so selten. Die Ergebnisse der Jobsuchmaschine Joblift sollten repräsentativ sein, da der Service große Stellenmärkte wie Stepstone und Monster auswertet – auch wenn Dubletten möglich sind. So gibt es im Moment etwa 1.200 offene Jobs für den Suchbegriff „Data Scientist“. Verwandte Berufe wie Data Analyst (1.600 Treffer), Data Engineer (1.800 Treffer) und Data Architect (1.100 Treffer) haben ähnlich viele Treffer. Zum Vergleich: Für Softwareentwickler gibt es zehnmal so viele Anzeigen.

Um in den Data-Science-Jobs arbeiten zu können, müssen Bewerber recht hohe Anforderungen erfüllen. Denn Datenwissenschaftler haben oft eine gehobene Position in technischen Fachbereichen. Dementsprechend gehört neben Kenntnissen in Informatik und Mathematik vor allem analytisches Denken, Kommunikationsstärke und Führungsfähigkeit zu den wichtigen Muss-Kompetenzen eines Datenwissenschaftlers – meint die Recruiting-Agentur AlphaJump in ihrem Karriereguide zum Data Scientist.

Das stark nachgefragte Berufsbild hat auch die Universitäten aufmerksam gemacht. So gibt es seit etwa 2016 eine Vielzahl an Masterstudiengängen zum Datenwissenschaftler, wohl an mehr als 20 Universitäten. Die ersten Absolventen dürften gerade auf den Markt kommen. Allerdings ist im Moment noch nicht ganz klar, wie der Arbeitsmarkt für sie aussieht. Ein genauer Blick zeigt, dass sie vermutlich bei vielen Anzeigen keinen Erfolg haben werden.

[toggle title=“Einige Beispiele für Stellenanzeigen:“]

  • Das bekannte Systemhaus Bechtle sucht einen Data Scientist mit mehrjähriger Berufserfahrung, der sich laut Anzeige mit Software für Data Analytics, klassischen RDBMS und No-SQL-DBMS auskennen sollte. Zu allem Überfluss sollte er oder sie auch noch Kenntnisse in Bereichen wie Virtualisierung oder Predictive Maintenance mitbringen.
  • Auch Discounter Aldi stellt Data Scientists ein, unter anderem im Supply Chain Management. Hier ist ebenfalls Berufserfahrung im Bereich Data Science oder Business Analytics gefragt sowie idealerweise Kenntnisse der Besonderheiten der Handelsbranche. Hinzu kommt noch Erfahrung mit SAP-Software, die in Mainstream-Unternehmen immer noch der Standard ist.
  • Die Telekom hat mehrere Positionen im Bereich Data Science ausgeschrieben, mit einer Gemeinsamkeit: Neben einem MINT-Studium ist mehrjährige Berufserfahrung notwendig, für Senior-Positionen sogar mindestens fünf Jahre. Das stimmt mit den Anforderungen überein. Der Telekom sind neben Kenntnissen in Sachen Datenanalyse noch solche über Software-Engineering, agile Methoden und Cloud-Technologien wichtig — alles IT-Spezialitäten, die niemand in einem Wochenendkurs lernen kann, denn sie erfordern in erster Linie praktische Erfahrung.

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Die Erkenntnis aus der Durchsicht einiger Dutzend Stellenanzeigen: Ohne Berufserfahrung und ein recht breites Skillset geht wenig. Natürlich gibt es auch Angebote für Hochschulabsolventen und auch Ausschreibungen von Praktika, häufig mit der englischsprachigen Stellenbeschreibung „Intern“. Das sind allerdings trotz des Verweises auf Data Science meist eher Stellen mit Assistenzcharakter. Sie sollten aber ausreichen, um erste Erfahrungen zu sammeln.

In Singapur ist es nicht anders als in Deutschland

Trotzdem ist ein Einstieg in die Data Science nicht einfach, auch nicht in der englischsprachigen Welt. Hanif Samad ist Datenwissenschaftler, aber erst nach Überwindung einiger Hindernisse. In einem ausführlichen und hochinteressanten Artikel für das Online-Magazin „Towards Data Science“ kommt er angesichts seiner anfänglich nicht erfolgreichen Bewerbungen zu einem bestechenden Schluss: Er will sich weniger auf das verlassen, was Data Scientists wissen sollen, sondern mehr darauf, was sie in der Praxis tatsächlich machen.

Denn Samad ist bei seiner Informationssuche im Vorfeld der Bewerbungen auf ein Problem gestoßen: Schon eine oberflächliche Google-Suche fördert zahlreiche Ratgeber zutage, die unglaublich viele Must-Have-Skills aufzählen. Dadurch entsteht das Bild eines allumfassend kompetenten Super-Datenwissenschaftlers, das nur leider realitätsfremd ist. Um ein besseres Bild zu erhalten, hat Samad 869 LinkedIn-Profile ausgewertet, in denen als Berufsbezeichnung Data Scientist und als Ort Singapur vorkommt — dort hat er sich gezielt beworben.

[toggle title=“Hier einige seiner Erkenntnisse im Detail:“]

  • Fast drei Viertel der Data Scientists haben entweder einen Masterabschluss oder einen Ph. D. Lediglich 6 Prozent waren Quereinsteiger mit nicht-traditioneller Zertifizierung.
  • Mit 14 Prozent hat die Informatik den größten einzelnen Anteil an den Studienabschlüssen. Die unterschiedlichen Ingenieurdisziplinen kommen auf 22 Prozent, die unterschiedlichen Studiengänge für Mathematik, mathematische Physik, Statistik sowie angewandte Mathematik haben ein Anteil von 12 Prozent. Heimlicher Gewinner dieser Statistik ist jedoch das Feld Business Analytics, das sich auf unterschiedliche Studiengänge verteilt und zusammen 15 Prozent ausmacht – viele davon Master und keine Ph. Ds.
  • Die Berufserfahrung der untersuchten Datenwissenschaftler liegt je nach höchster Qualifikation zwischen vier und sechs Jahren. So gibt auch der Blick in die Realität wider, was bereits aus den Stellenanzeigen abzulesen war: Neu eingestellte Datenwissenschaftler sind normalerweise keine frischen Hochschulabsolventen.
  • Die meisten Positionen von Datenwissenschaftlern in den Unternehmen sind vergleichsweise neue Stellen: Etwa drei Viertel haben ihre Position seit weniger als zwei Jahren. Gut 42 Prozent der Stellen sind sogar jünger als ein Jahr.
  • Aus dem letzten lässt sich ableiten, dass ein großer Teil der Datenwissenschaftler vor ihrem Einstieg in die Data Science eine andere Position in ihrem Wissensgebiet hatten. Auch das lässt sich über LinkedIn gut herausfinden: Zu gleichen Teilen waren sie Wissenschaftler, Software Engineers, Analysten und interessanterweise auch Praktikanten und Trainees.
  • Die Hälfte der untersuchten Datenwissenschaftler waren nicht bei Technologie-Unternehmen angestellt. Sie hatten häufig Positionen in der Finanz- und Versicherungswirtschaft, bei Beratungsunternehmen, in der Industrie und der Wissenschaft.

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Die Ergebnisse von Samad lassen sich nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen, doch sie besitzen einiges an Plausibilität auch für hiesige Verhältnisse und passen gut zur Analyse der Stellenanzeigen. Zusammengefasst sagen sie: Data Science steht Leuten offen, die einen Background aus Mathematik plus Informatik besitzen und mindestens drei Jahre Berufserfahrung haben sollten. Idealerweise haben sie vorher in der IT gearbeitet und praktische Erfahrungen gesammelt, bevor sie sich auf Data Science spezialisiert haben.

Der lange Weg zum Data Scientist

Für Studierende und Absolventen der einschlägigen MINT-Fächer bedeutet das: Sie sollten nach dem Studium zunächst einmal in die Praxis gehen und dabei auf einen ordentlichen IT-Anteil ihrer Tätigkeit achten. Doch praktische Erfahrungen sind nicht alles. Data Scientists müssen auch bestimmte Spezialisierungen haben, um problemlos einen Job zu finden. Studenten und Absolventen müssen darauf achten, die richtigen Dinge zu lernen, meint Jeremie Harris. Der Data Scientist ist Mitgründer eines Mentoring-Programms für Absolventen, die als Einsteiger in der Data Science arbeiten möchten — was zumindest in den USA nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Sein Artikel in „Towards Data Science“ richtet sich an Absolventen von MINT-Fächern und empfiehlt ihnen den Einstieg in einige grundlegende Wissensgebiete und Fähigkeiten. Dazu gehören Python-Kenntnisse, Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Hilfreich ist außerdem ein Einblick in die Grundzüge des Software Engineering — Stichwort Dokumentation und Versionierung. Zudem müssen Data Scientists auch einen Instinkt dafür entwickeln, welche Lösung in pragmatischer Hinsicht gefragt ist. Tipp: Technisch optimale Lösungen sind nur selten pragmatisch optimal. Zudem müssen die Datenwissenschaftler in der Lage sein, einem nicht-technischen Publikum ihre Konzepte, Projekte und Ergebnisse verständlich zu erklären.

Diese Anforderungen sind vielen Absolventen nicht bekannt und zudem machen sie nach Ansicht von Harris bei der Jobsuche häufig einen Fehler: Sie vermuten, dass es bei einem Bewerbungsgespräch darum geht, sich als der technisch kompetenteste Bewerber für die ausgeschriebene Position zu beweisen. Er hat andere Erfahrungen gemacht: „In Wirklichkeit wollen Unternehmen Menschen einstellen, die ihnen helfen, schneller mehr Geld zu verdienen.“ Das klingt flapsig, aber es ist in der Tat Grund Nummer Eins für die Existenz eines Unternehmens. Bewerber sollten das bedenken.

Im tiefen Tal der Bewerberhölle

Nun klingt das so als ob die Unternehmen eigentlich immer wissen, was sie wollen. Nichts könnte falscher sein. „Vorstellungsgespräche für eine Rolle in der Datenwissenschaft sind schwierig“, fasst der Mathematiker und Data Scientist David Neuzerling seine Erfahrungen in einem Blogbeitrag zusammen. „Vielen Unternehmen ist klar, dass sie etwas mit Daten machen müssen. Aber sie haben keine Ahnung, was genau.“ So könne es seiner Erfahrung nach vorkommen, dass Unternehmen von Machine Learning reden, aber in Wirklichkeit nur ein paar Dashboards wollen.

Deshalb rät Neuzerling Bewerbern, unbedingt konkrete Fragen zu stellen. So ist es sinnvoll, die Schlüsselworte aus der Stellenbeschreibung aufzunehmen und nach konkreten Einsatzbereichen, den verwendeten Frameworks, der Anzahl der Projekte und der Größe der Teams zu fragen. Er warnt besonders vor Stellenausschreibungen mit mehrfachen Berufsbezeichnungen wie „Data Scientist/Data Engineer“ oder „Data Scientist/Software Developer“. Neuzerling: „Das sind Anzeichen dafür, dass ein Unternehmen nicht weiß, was es von einem Kandidaten will.“

Darüber hinaus rät er aus eigener Erfahrung, Bewerbungsgespräche mit seltsamen Praktiken sofort abzubrechen. Er erwähnt beispielsweise Videointerviews, in denen er vorgefertigte Fragen beantworten solle oder Prüfungen, in denen er eine Stunde lang handschriftlich Code schreiben musste. Seine Kritik an den Unternehmen: „Sie vergessen, dass Rekrutierung ein zweiseitiger Prozess ist.“ Er rät allerdings auch, sich nicht entmutigen zu lassen — es gebe genügend gute Jobs da draußen.

Und das liebe Geld? Tja …

Die anfangs erwähnte Glassdoor-Statistik deutet es an: Mit einem Median-Einkommen von 108.000 US-Dollar ist man zumindest im nordamerikanischen Raum ein gut verdienender Experte. Einen detaillierten Einblick in die Gehaltsstruktur zeigt die Statistik der IEEE. Erwartungsgemäß verdient man in San Francisco am meisten (>166.000 USD). Interessanterweise gilt das auch, wenn die Lebenshaltungskosten in die Statistik einfließen. Dann entspricht das kalifornische Gehalt zwar nur 121.000 Dollar anderswo, aber anderswo verdient ein Datenwissenschaftler auch bereinigt weniger.

Umgerechnet bedeutet das: In den USA verdient ein erfahrener und erfolgreicher Data Scientist leicht 100.000 Euro pro Jahr. Von solchen Zahlen können die deutschen Datenwissenschaftler nur träumen. Laut der Gehaltsstatistik von Stepstone liegen typische Gehälter zwischen 47.600 und 60.700 Euro pro Jahr. Das ist weit von den US-Gehältern entfernt, zumal hier in Good ol‘ Germany auch die Steuer härter zuschlägt als in den USA. Kurz und gut: Beim Geld ist noch ordentlich Luft nach oben.

Wer kann und mag, sollte über einen Job in den USA nachdenken. Stellen gibt es und es muss ja nicht gleich die Auswanderung sein. Ein paar Jahre in den USA sind in Digitalwirtschaft und Informationstechnologie auf jeden Fall gute Karriere-Booster, jedenfalls in europaweiter Perspektive. Neben Geld ist natürlich auch die Art und Weise der Jobs wichtig. Dinge wie Mindset des Teams und der Vorgesetzten, Unternehmenskultur, Innovationsfreudigkeit, Chancen für eine Unternehmensgründung oder schlicht die Offenheit gegenüber den Ideen und Vorschlägen eines Berufsanfängers — das findet sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eher in Kalifornien, aber auch in anderen Gegenden der wirklich sehr großen US of A.

Bildquelle: Pixabay

Humaner Output: 39 Bit/s

Italiener sind Schnellsprecher, Deutsche dagegen bevorzugen das langsame Reden mit langen Substantiven — so ungefähr lauten die Klischees. Ganz falsch ist das nicht, denn italienischsprecher bringen bis zu neun Silben pro Sekunde an den Gesprächspartner, Deutschsprecher dagegen nur fünmf bis sechs Silben. Trotzdem übermitteln beide, ebenso wie der Rest der Menschheit, die gleiche Informationsmenge mit ihrer jeweiligen Sprache: nämlich 39 Bit pro Sekunde.

Diesen Wert hat ein Forschungsprojekt an der Universität von Lyon festgestellt.  Damit bestätigt sich eine These, nach der die Sprechgeschwindigkeit zusammen mit der Informationsdichte einer Sprache immer ungefähr die gleiche Informationsmenge ergibt. Informationsdichte Sprachen verpacken die Syntax in kleinere Einheiten, sodass die Sprecher nur langsam vorankommen. Weniger informationsdichte Sprachen wie etwa Italienisch können deshalb schneller gesprochen werden.

In einer ausführlichen Studie schildern die Wissenschaftler ihr Vorgehen. Sie haben zunächst die Informationsdichte pro Silbe für 17 Sprachen berechnet. Anschließend ging es für drei Jahre in die Feldforschung: Die Forscher haben für die Sprachen jeweils fünf männliche und weibliche Sprecher rekrutiert, die 15 identische Passagen in ihrer Muttersprache vorgelesen haben. Für einige Sprachen wurden vorhandene Tonaufnahmen eingesetzt, sodass für alle 17 Sprachen eine durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit von Silben pro Sekunde ermittelt werden konnte.

Durch Multiplikation der Sprechgeschwindigkeit mit der Informationsdichte kam heraus, dass die Bitrate menschlicher Sprecher im Durchschnitt etwa 39,15 Bit/s beträgt. Ein wichtiger Schluss daraus: Jede Sprache ist hinsichtlich ihrer Effizienz bei der Informationsübertragung vollkommen gleichwertig.

Glücklich werden. Eine Bildungsgeschichte

CelineCéline Keller, Illustratorin und Motiondesignerin, vor langer Zeit DJ in einem Club in Köln. Sie spielte Indie und Singer/Songwriter-Platten. Eines Tages sprach ich sie wegen ihrer Musik einfach an. Wir trafen uns ein paar Mal, rauchten, tranken, redeten, schrieben Musiktipps auf Bierdeckel. Dann verschwand sie plötzlich aus der Stadt und ein paar Jahre später entdeckte ich sie im Internet.

Du lernst. Und zwar gerne und aus Interesse. Und noch dazu mit einem breiten Spektrum an Themen. Das ist mir aufgefallen, seit ich Dir auf Google+ und Twitter folge. 

Ich interessiere mich für viele Dinge. Lernen ist nicht nur eine unglaublich spannende Beschäftigung, sondern es liegt mir auch grundsätzlich sehr am Herzen. Ich möchte gerne etwas Neues erfahren und folge meinem Wunsch, immer wieder etwas zu lernen. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass wir Probleme nur durch gemeinsames Lernen lösen können.

War das schon immer so bei Dir?

Nein, ich habe früher viele schlechte Erfahrungen gemacht. Ich habe die Schule gehasst und empfand sie als Gefängnis. Nur weil ich alle paar Jahre von einer zur anderen gewechselt bin, habe ich es trotz aller Frustration und Langeweile irgendwie bis zum Abitur ausgehalten. Wenn Jugendliche Freiheit haben, sind sie voller Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit. Stattdessen war ich unglücklich – am allermeisten, wenn ich in der Schule sitzen musste.

Wie lange hat der Frust gedauert?

Der Frust war nach der Schule vorbei, aber die Freude am Lernen habe ich erst mit Mitte Zwanzig entdeckt. Davor stolperte ich ziemlich verloren durch die Gegend und wusste vor allem eines: Was ich nicht machen will. Ich finde es tragisch, das so viele Menschen aus der Schule kommen und anscheinend nur gelernt haben, was sie angeblich nicht können. Ihnen bleibt statt Kreativität und Neugier nur Angst, etwas falsch zu machen. Deshalb fangen sie auch oft nichts Neues und Eigenes an.

Aber Du hast etwas gemacht, nämlich Comics gezeichnet.

AlmutUndJuryJa, doch nach der negativen Erfahrung in der Schule hatte ich das Bedürfnis, mich gegen Kritik zu schützen und habe alles schön für mich behalten. Kaum jemand hat meine Sachen gesehen. Aber ein paar Freunde (Ursula und Georg vom www.raumfuerprojektion.de) fanden die Sachen gut und haben mich herausgefordert. Ich sollte innerhalb von sechs Wochen einen Animationsfilm zu machen. Das war eine verrückte Idee, aber für mich war das der Wendepunkt. Ich habe mich zuhause eingeschlossen und losgelegt. Ich habe mir die Bedienung der Animationssoftware mit einem Buch selbst beigebracht. In der Zeit habe selten so viel geflucht und gleichzeitig so viel Spaß gehabt.

Was war anders als in der Schule?

Die beiden haben an mich geglaubt. Ich denke, jeder braucht das Gefühl, dass jemand an ihn glaubt. Ich selbst war immer von meinen Comics überzeugt, aber das reichte nicht aus um alleine loszulegen. Danach ging es dann langsam, aber sicher bergauf – vor allem, als ich das Internet für mich entdeckte.

Wie hat Dir das Internet beim Lernen geholfen?

Ich war ein paar Jahre in Argentinien und habe dort gesehen, dass man das Internet auch zu etwas anderem als Mail und Shopping benutzen kann. Eines Nachts saß ich vor dem Computer und landete durch Zufall auf einer Gospel Piano-Webseite mit einem kostenlosen Online-Kurs. Dort wurde das Nashville Number System erklärt. Doch vor allem habe ich dort gelernt, dass Musik nicht dieses mythische Ding ist, das man nur als Kind lernen kann. Und nur dann, wenn man irre viel Talent hat. Am nächsten Tag habe ich mir ein Keyboard geliehen und Musik gemacht. cubos

Selber machen ist auf jeden Fall dein Ding. Du beschäftigst Dich autodidaktisch mit ganz unterschiedlichen Themen. Das wirkt wie ein sehr eigener und eigenständiger Lernstil, eher von Neugier getrieben als von irgendeiner Art von Ehrgeiz.

Das stimmt, ich habe meinen eigenen Weg zum Lernen gefunden. Ich habe oft gehört: Konzentriere Dich auf eine Sache, sonst bist Du nicht erfolgreich. Aber so funktioniere ich nicht, ich bin anders. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass ich da nicht alleine bin. Es ist vielleicht eine Binsenweisheit, aber beim Lernen kann ich sie unterschreiben: Der Weg ist das Ziel. Natürlich brauche ich ein Ziel, aber der Weg dahin ist ebenfalls wichtig. Vor allem die Schritte auf diesem Weg sind entscheidend. Für mich ist Lernen aktiv. Deshalb kann ich auch nichts mit der klassischen Art des Unterrichtens anfangen.

Du meinst das eher passive Konsumieren von „Stoff“ in der Schule. Wie organisierst Du Dich selbst?

Mein größter Feind beim Lernen ist die Langeweile. In Grenzen ist das natürlich ganz normal. Der Trick ist einfach, an mehreren Sachen gleichzeitig zu arbeiten. Wenn mich eine Übung zu sehr frustriert, arbeite ich eine Weile an einem anderen Problem Und Lernen ist natürlich manchmal auch anstrengend. Und man macht Fehler. Es ist wichtig, sich nicht von Fehlern frustrieren zu lassen. Ich würde sagen: Mach einfach eine Pause, mach etwas anderes, aber komm immer wieder zurück und spiel mit den Fehlern, ohne Druck von außen. RatonPerezDas wichtigste für mich ist, nicht aufzugeben und einfach weiter zu machen, selbst wenn ich etwas nicht verstehe. Mit der Zeit erschließt sich dann das Problem von ganz allein. Das sind magische, wunderbare Momente. Und sie kommen immer. Wirklich.

Und das alles ohne Lehrer, der vor Dir sitzt und Dir etwas beibringt.

Ich habe unzählige Lehrern und Lehrerinnen. Ich finde sie überall im Netz. Im Internet gib es eine Unmenge an wunderbaren Menschen, die ihr Wissen gerne und umsonst mit anderen teilen. Youtube ist toll und ich höre eine Menge Podcasts. Twitter ist auch eine Goldgrube. Das Internet ist außerdem voll von interessanten Vorträgen zu allen möglichen Themen. Ein gutes Beispiel sind die TED/TEDx- und re:publica-Vorträge auf Youtube. Viele Leute verstehen einen ganz wichtigen Punkt nicht: Was man aus dem Internet herausholen kann, hat damit zu tun, wem man „folgt“. Folgt man interessanten Leuten, werden einem ganz von selbst neue und interessante Themen serviert. Oft ergeben sich darüber viele neue Möglichkeiten – auch beruflich. Dieses Jahr habe ich mit Partnerin Paula Spagnoletti für TED-ed einen Animationsfilm über Mikroben gemacht und im Moment arbeiten wir für die nächste re:publica.

Das klingt sehr weit entfernt von Deinem Teenager-Ich, das Lernen hasst. 

Ja, unbedingt. Heute ist mir klar, Lernen macht Spaß. Es eröffnet einem irrsinnig viele Möglichkeiten und gibt mir persönlich sehr viel Energie. Lernen macht glücklich – zumindest empfinde ich das so. Es gibt dazu ein sehr schönes Zitat aus T.H Whites „The Once and Future King“. Es bringt Sache für mich auf den Punkt:The best thing for being sad is to learn something.” microbes

Und bei all dem hilft Dir das Internet. Selber Lernen im  Netz –  das ist ein sehr modernes Modell.

Das Internet ist eine wirklich gute Möglichkeit, sich Zugang zu Wissen zu verschaffen. Ich habe dort die Freiheit, in genau die Richtung zu gehen, die meinem Interesse entspricht. Ich kann damit Probleme lösen, Zusammenhänge erkennen und Beziehungen entdecken. Das geht alles nur, weil das Internet offen ist. Offenheit des Wissens und Freiheit des Lernens, das hängt für mich zusammen.

Das ist ein Plädoyer gegen kommerzielle Wissensanbieter. 

Mir sind offene Lernwege sehr wichtig. Ich bin auch von MOOCs begeistert, wie sie zum Beispiel kostenlos auf Coursera angeboten werden. Mein erster Kurs war im Sommer 2012 „Science Fiction, Fantasy, and the Human Mind“. Die Lectures waren klassische Talking-Head-Videos. Dagegen habe ich nichts. Auch die Bücher, die wir gelesen haben, waren toll. Aber es gab einige Dinge, die mich gestört haben. Das Nervigste daran war das Peer Grading.

Dabei bewerten die Lernenden ihre Arbeiten untereinander.

Das war ziemlich furchtbar und sehr viele Menschen haben den Kurs deshalb schnell verlassen. Es gab viele Trolle, die extrem bewertet haben. Dieser Ansatz ist meiner Meinung nach grundsätzlich ungeeignet. Es dürfte keine Noten geben, die Peer Reviewer hätten besser einen Kommentar schreiben sollen, um darin ihre Meinung begründen. Es ist unglaublich frustrierend, begründungslos bewertet zu werden.

Das ist dann eher wie Schule, mit Noten als Urteil. republica

Noten gehören abgeschafft. Stattdessen sollten Anstrengung, Ideen und neue Perspektiven zum Maßstab werden. Es wäre wichtig, Kinder zu ermuntern, eigenständig zu denken. Sie sollten eigene Meinungen und Ideen verfolgen dürfen, auch wenn sie sich am Ende manchmal als falsch rausstellen. Und die Schule sollte Kindern beibringen, dass Fehler etwas Gutes sind. Wer etwas falsch macht hat und daraus lernt, hat ein ganz besonderes Wissen. Oft kann er dann seine Erkenntnisse anderen Leuten viel besser erklären.

Gibt es auch MOOCs, die in die von Dir gewünschte Richtung gehen?

Das Gegenbeispiel war „E-Learning und Digital Cultures“. Das war wirklich klasse und hat sehr viel Spaß gemacht. Und es gab keine Noten. Stattdessen  unglaublich viel Kreativität, Ideen und Austausch – also echtes Lernen. Ganz von selbst entstand eine Art Gruppendynamik, bei der sich die Leute gegenseitig unterstützt und motiviert haben. Außerdem war dies der bisher einzige Coursera-MOOC, bei dem das Forum auch nach dem Ende des Kurses zugänglich blieb. Bei allen anderen Kursen hat Coursera die ganze Arbeit und alle Informationen förmlich in die Tonne getreten. Die Begründung war auf Nachfrage „Dann kann ja jeder abschreiben“.

Abschreiben – das ist mal wieder ein Begriff aus der Schule.

Ja, das ist ein Ansatz, den ich als veraltet und respektlos gegenüber den Lernern empfinde. Es ist die alte Idee, dass Wissen von außen in die Köpfe kommt und sich nicht entwickelt. Es gibt keinen Grund, etwas Vorhandenes nicht zu lesen und zu benutzen. Es ist wichtiger, daraus etwas Neues zu machen. Das ist für mich das Ziel des Lernens: Etwas Neues machen. Und das dann im Internet mit anderen Menschen teilen.

Bilder: nenatv, privat

Über den Ausgang aus der informatischen Unmündigkeit

Prof. Dr. Ludger Humbert, Lehrer, Dozent und Informatikdidaktiker an der Uni Wuppertal, fordert von den Schulen mehr digitale Aufklärung. „Wir dürfen unsere Kinder nicht ohne Allgemeinbildung in Informatik durch die Schulzeit bringen“, meint er im Interview mit „Digital Heartland“.

Die Informatik wird von den meisten Leuten als typisches Oberstufenfach gesehen. Wie ist die Situation in NRW?

Die Informatik ist in der gymnasialen Oberstufe ein altbekanntes und gut eingeführtes Fach. Es ist sogar schon seit 1969 im Fächerangebot enthalten. Sowohl die Lehrer als auch die Schulbehörden können auf eine sehr lange Erfahrung mit dem Fach zurück blicken. Deshalb gibt es auch seit geraumer Zeit eine spezielle Lehrerausbildung für dieses Fach. Es wird nicht nur von weitergebildeten, eigentlich fachfremden Leuten unterrichtet.

Das klingt ja sehr positiv. Ist an den Oberstufen im Land also alles in Ordnung mit dem Informatikunterricht?

Leider haben sich die Rahmenbedingungen nicht verbessert. Informatik ist im mathematisch-naturwissenschaftlichen Aufgabenfeld nicht mit den anderen Fächern gleichgestellt. Es ist lediglich Zweitfach, wie in der Anfangszeit, als von Digitalisierung noch keine Rede war. Das bedeutet also, dass Schülerinnen und Schüler Informatik nicht als erste Naturwissenschaft wählen dürfen.

Es hat deshalb einen schweren Stand in den Schulen. Oft schaffen es nur große Gymnasien das Fach regelmäßig als Leistungskurs anzubieten. Die zentrale Forderung der Gesellschaft für Informatik ist: Das Fach muss den anderen MINT-Fächern gleichgestellt werden. Sonst kann eigentlich von MINT keine Rede sein, das „I“ ist nicht ausreichend repräsentiert.

In der Unter- und Mittelstufe sieht die Lage ja noch schlechter für die Informatik aus. Fehlen da nicht oft die Grundlagen für das Fach?

Richtig, es gibt leider kein Pflichtfach für die Sekundarstufe I. Es gibt lediglich ein paar Initiativen von Realschulen oder Gymnasien, einen schulinternen Unterricht mit eigenen Lehrplänen anzubieten. Das reicht aber nicht. Meiner Meinung nach benötigt heute jeder Mensch eine gewisse informatische Grundbildung, die über das reine Bedienen von Software hinausgeht.

Warum ist das so?

Wir haben in unserer Gesellschaft zur Zeit eine digitale Spaltung. Nur etwa 10 bis 15 Prozent der Menschen verstehen wirklich, was bei der Digitalisierung vor sich geht. Wir müssen uns fragen, wie viel informatische Aufklärung notwendig ist, damit wir als Menschen handlungsfähig bleiben.

Unsere Gesellschaft braucht mündige Bürger, auch mit Blick auf IT. Sonst sind wir von technischen Systemen abhängig. Die Antwort der Schulen auf diese Herausforderung kann nicht „Null“ lauten. Die jungen Leute leben und arbeiten zukünftig in einer Welt, die ganz stark durch Informations- und Kommunikationstechnologie bestimmt ist.

Bringen sich Jugendliche Computerthemen nicht ohnehin von selber bei?

Ja, aber sie entwickeln dabei häufig allerlei Vorurteile, weil sie nur unverbundene Fakten kennen. So haben zum Beispiel heute sehr viele Schüler Angst vor einer Zukunft, in der die Maschinen gewissermaßen die Welt erobern. Das lernen sie über die Medien. Sie stellen Computer, Mobiltelefone und andere Informatiksysteme so dar, als seien es Maschinen, die wirklich alles können.

Der Informatikunterricht in der Sekundarstufe könnte vermitteln, dass die von Menschen entwickelten Maschinen immer Grenzen haben und beispielsweise nicht kreativ sein können. Und das der Mensch immer die Verantwortung trägt und tragen muss.

Das wäre dann ein eher untechnisches Fach. Was ist mit Standards wie Word, Photoshop oder Acrobat?

Aktuelle Software ist eventuell nach dem Ende der Schulzeit schon wieder vom Markt verschwunden oder sieht ganz anders aus. Auch deshalb ist es nicht sinnvoll im Informatikunterricht, die Bedienung von Software zu vermitteln.

Wichtig sind dagegen informatische Grundlagen und Vorstellungen, die es ermöglichen, sich selbstständig in neue Programme einzuarbeiten. Ein Beispiel: Viele Ausbildungsbetriebe fordern für den Informatikunterricht der berufsbildenden Schulen eine Schulung in den bekannten Basisprogrammen der Berufswelt.

Damit greifen sie aber zu kurz, da sie sich primär auf Effizienzkriterien beschränken. Genau aus diesem Grund gibt es die Allgemeinbildung. Sie muss dafür sorgen, dass die Prinzipien verstanden werden, die zur Gestaltung der Werkzeuge nötig sind.

Was ist dann die Hauptaufgabe der Informatik in der Sekundarstufe?

Um es noch einmal zu betonen: Werkzeugwissen reicht nicht aus. Die Konzepte hinter allen Werkzeugen müssen erkannt werden. Es geht darum, den Kindern das Verstehen der Informatik zu ermöglichen.

Sie benötigen eine Art mentales Modell der Vorgänge in einem Informatiksystem, um sich auch bei einer völlig unbekannten Software selbst helfen zu können. Jedes Kind und jeder Jugendliche sollte die Grundlagen kennen. Wir dürfen unsere Kinder nicht ohne Allgemeinbildung in Informatik durch die Schulzeit bringen.

Wie kann das in der Schulpraxis aussehen?

Es ist besonders wichtig, ein grundlegendes Verständnis für die Abläufe in einem Informatiksystem zu entwickeln. Das kann jeder Fünftklässler ohne Probleme. Wie gesagt, es geht nicht um die Bedienung spezifischer Programme oder um Highend-Technologie. Es geht darum, anhand eines einfachen, didaktisch geeigneten Informatiksystems zu lernen, wie Programme funktionieren. Das ist im Grunde programmieren, aber eher in Anführungsstriche gesetzt.

Ist das im Rahmen der aktuellen Stundentafel denn noch zu leisten?

Eine Stunde pro Woche in den Klassen 5 bis 10 würde ausreichen. Zahlreiche Schulen haben einen solchen Unterricht bereits in Eigenregie organisiert. Dabei müssen die Lehrkräfte nicht das Rad neu erfinden. Die Gesellschaft für Informatik (GI) hat die entsprechenden Bildungsstandards bereits definiert. Auf der Website gibt es auch allerlei Werkzeuge und didaktische Hilfen, die speziell an die Arbeit in der Unter- und Mittelstufe angepasst sind. Weitere Hilfen für Lehrer gibt es an der Uni Wuppertal, alles unter einer Creative-Commons-Lizenz. Es kann deshalb für den eigenen Unterricht – ohne Copyright-Probleme – angepasst und genutzt werden.

Bildquelle: Privat

In North Rhine-Westphalia computer science is a school subject since 1969. But it’s mostly for the senior classes of the Gymnasium, the German secondary school which leads to the highest school grade called Abitur. Teachers and scientists claim computer science also for all of the junior classes in all types of schools. Prof. Dr. Ludger Humbert, teacher and expert in didactics of computer science tells “Digital Heartland” why:

“Every child needs a certain general education in computer science beyond mere software handling. Just knowing some tools is not enough. Our children need to be aware of the technical concepts of computing. Main duty of education in computer science at school is to enable understanding of technology. Our society needs responsible and educated citizens in information technology as well. The alternative is dependancy on machines.”

Ausflug ins Zwischenreich – Bücher in Digitalien

Buchbranche und Digitalkultur, das ist keine Liebesbeziehung. Es gibt da ein großes Unverständnis für die Entwicklung der letzten Jahre. Die viel zitierte digitale Kluft wird hier manchmal überdeutlich, wie das folgende Zitat zeigt. Es ist echt, wirkt aber wie vom Postillon geklaut: „Man schaut sich die Dinge an, probiert sie aus, entscheidet sich und geht dann nach Hause und bestellt am Computer. […] Es ist kaum übertrieben, wenn man dieses Verhalten als eine Art Diebstahl betrachtet.“

Das klingt wie Realsatire, ist aber von einem waschechten Verleger alter Schule. Er beschimpfe lieber seine Kunden, als unternehmerisch zu denken, urteilt Verlagsberater Leander Wattig in seinem Blog. Aber was genau meint der Verleger, wenn er von Diebstahl redet? Es geht ihm um den von vielen Händlern gefürchteten Showrooming-Effekt: Im Geschäft gucken und beraten lassen, aber online und möglichst noch vor Ort mit dem Smartphone kaufen.

Ein Blick in die USA ist hilfreich, denn dort wird Showrooming schon viel länger diskutiert. Keine Panik, meint das US- Fachblog eConsultancy, denn es kann leicht bekämpft werden. Händler sollten die Digitalisierung freudig umarmen, zum Beispiel mit einer eigenen App, gut sichtbaren QR-Codes für den App-Download, iPads für die Produktinformation, kostenlosem WiFi und einer Präsenz auf Facebook. Das funktioniert für viele Branchen recht gut und es würde auch im Buchhandel funktionieren – Aufgeschlossenheit für neue Ideen vorausgesetzt.

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Die Digitalisierung freudig umarmen, das macht die Solingerin Stefanie Leo jeden Tag. Sie ist die Gründerin und Chefin der Bücherkinder. Sie ist die Erfinderin der Wohnzimmerlesung, die von ihrem privaten Wohnzimmer aus ins Internet gestreamt wird. Sie bloggt, twittert und facebookt über ihre Erfahrungen mit Kindern, Büchern und dem Internet.

Außerdem ist sie außerhalb des Internets aktiv: Sie schreibt für die Fachzeitschrift Eselsohr, bietet Kinderbuch-Ausstellungen in Kitas im Rheinland an, berät Schulbibliotheken bei der Anschaffung neuer Bücher und hält Vorträge. Kurz: Stefanie Leo ist für die Sache der Kinderbücher ein Nachrichtendrehkreuz in Person.

Der Beginn von all dem waren Bilderbücher für ganz junge Kinder, nämlich die von Stefanie Leo. Sie hatte die Erfahrung gemacht, das gute Kinderbücher zum Vorlesen und Anschauen schwer zu finden sind. Zwar funktioniert der Buchmarkt wie eine gut geölte Maschine. die jedes Jahr 100.000 Neuerscheinungen ausspuckt – davon hunderte Kinder- und Jugendbücher. Aber im Unterschied zu „Erwachsenenbüchern“ gibt es keinen Feuilletonbetrieb, der wenigstens ein paar Schneisen in dieses Dickicht schlägt.

Ein Medium, in dem Eltern bewährte Bilderbücher finden, das wäre doch was, dachte die Solingerin. Und was ist im 21. Jahrhundert ein Medium, das jeder einfach so nutzen kann? Das Internet. Also mietete Stefanie Leo anno 2002 Webspace, um anderen Eltern die bei ihren drei Kindern beliebten Bücher vorzustellen.

Der Rest ist Geschichte, aus dem spontan aufgebauten Angebot wurde völlig ungeplant viel mehr. Inzwischen gibt es eine Redaktion aus 50 Kindern und Jugendlichen, die Bücher erst lesen und dann bewerten. So entstanden bis heute etwa 4.500 Buchbesprechungen. Das sind längst nicht mehr nur Bilderbücher, sondern Erzählungen, Sachbücher und Romane für alle Altersstufen.

Darüber hinaus nutzt Stefanie Leo Facebook und Twitter, um Leute und Dienstleister in der Kinderbuchszene miteinander zu vernetzen. So ist nach und nach ein Ökosystem entstanden, das aus Fans der Bücherkinder, Facebook-Freunden, Realwelt-Kontakten in Verlagen, Buchhandlungen und Bibliotheken besteht.

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Aus den Erfahrungen von Stefanie Leo zeigt sich: Facebook und Twitter eignen sich als „Soziales Graswurzelnetzwerk“, um ohne großen Aufwand Werbung für ein Nischenthema zu machen. Der Bekanntheitsgrad der Bücherkinder und der Lesungen steigt langsam, aber stetig an – wem sie einmal aufgefallen sind, der empfiehlt sie gerne weiter.

Mit tausenden Besuchern ihrer Bücherkinder-Website, über 2.200 Twitter-Followern und gut 3.100 Facebook-Fans hat sie eine gut funktionierende Schnittstelle zwischen Büchern und Internet aufgebaut. Diese Verbindung zwischen analog und digital will bei vielen Verlagen und Buchhandlungen nicht so recht in die Gänge kommen. Stefanie Leo gelingt sie scheinbar mühelos.

Das liegt sicher an ihrer verbindlich-freundlichen Art, ihrer Fähigkeit zum Gespräch und ihrem Interesse an Büchern und an Menschen. Es liegt aber vielleicht auch an der Idee der Empfehlungen. Das ist so etwas der Kern der Bemühungen von Stefanie Leo. Kinder empfehlen anderen Kindern Bücher, Bücherleute empfehlen den besten Umgang mit sozialen Medien, Eltern empfehlen Links zu interessanten Websites rund um Kinderbücher.

Der lokale Buchhandel hat schon immer auf Empfehlung und Beratung gesetzt. Der Schritt ins Internet ist naheliegend. Durch die mehrseitige Kommunikation in Blogs oder sozialen Netzwerken lässt sich die buchhändlerische Empfehlung leicht digital nachbilden. Und sie lässt sich durch den Aufbau einer Fangemeinde abstützen. Dadurch entsteht ein Zwischenreich, das den klassischen Buchhandel und die neuen Möglichkeiten des Internets vereint.

Doch viele Buchhändler, aber auch Verlage verhalten sich eher abwartend. „Die Buchbranche befindet sich in einem enormen Umbruch durch E-Books, E-Commerce und viele andere Dinge,“ sagt Stefanie Leo. „Ich stehe da mittendrin. Es ist eine sehr spannende Zeit.“ Die ausgebildete Schriftsetzerin blickt von außen auf die Branche. Dort entdeckt sie viel Nachholbedarf: „Die Schuld an Problemen wird gerne bei anderen gesucht, auch beim bösen Kunden, der zu Amazon geht. Es wird nicht gefragt: Was können wir tun?“

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„Eine Redaktion aus 50 Kindern und Jugendlichen macht viel Arbeit“, meint Stefanie Leo. „Ich kann aber vieles über soziale Medien organisieren. Die Redaktion koordiniere ich zum Beispiel über eine geschlossene Facebook-Gruppe.“ Nur für den Versand der ausgewählten Titel ist immer noch die Büchersendung der Post wichtig, der teure Teil der Aufgaben bei den Bücherkindern. Einnahmen erzielt sie unter anderem mit Verlagswerbung und Amazon-Links – zu wenig, wie sie findet.

„Kinderbuchempfehlungen sind leider kein besonders gutes Geschäftsmodell.“ Oft herrsche die Meinung vor, es sei ja für die Kultur und die Kinder, da könne man kein Geld verlangen, erzählt sie von ihren Erfahrungen. Die Umsätze aus ihrer Website sind zu gering, um als alleiniges Familieneinkommen auszureichen. Allerdings: „Ich habe hier das ideale Arbeitsmodell für eine Mutter“, findet Stefanie Leo.

„Im übrigen sind die zahlreichen Kontakte, die ich über meine Website, Facebook und Twitter bekomme, unbezahlbar.“ Sie ermöglichen ihr auch Seminare und Vorträge im Bereich Social Media für Buchhandlungen. Dies führt dann zu weiteren Bekanntschaften. Durch die gestiegene Aufmerksamkeit ist es ihr unter anderem gelungen, für die Bücherkinder den avj-Medienpreis zu gewinnen. „Der hat mir wieder viele neue Kontakte ermöglicht und zahlreiche Türen geöffnet.“

Das Geschäftsmodell von Stefanie Leo setzt auf fleißiges Netzwerken, aus dem sich Honorare oder Anzeigenkunden ergeben. „Sicher könnte ich mehr machen“, sagt sie. „Mehr Vorträge und Seminare halten, mehr herumreisen. Aber das verträgt sich nicht mit meinem Hauptberuf als dreifache Mutter. Da bin ich bewusst altmodisch. Aber trotzdem: Ich mache, was ich liebe.“ Und wer kann das schon von sich sagen.

Bildquelle: Wilhelmine Wulff  / pixelio.de